Innovation ist die Triebfeder eines gesunden und zukunftsgerichteten Unternehmens. Was für Technologieunternehmen wie Apple oder Samsung gilt, gilt genauso für EVUs. Diese sehen sich zwar nicht in der Position, jedes Jahr mit einer Warte von mehr oder weniger innovativen Produkteinführungen aufzutrumpfen, aber Stagnation im eigenen Portfolio ist keine Option im hyperschnellen digitalen Zeitalter. Die Erwartungen heutiger Verbraucher sind hoch und die Geduld sich mit Altbekanntem abzugeben, schwindet von Jahr zu Jahr mehr.
Die neuen Zwanziger im Stillstand
Verwunderlich sind da die Ergebnisse aus dem Innovation Benchmark 2023 für die Energiewirtschaft von Axxcon, einer Managementberatungsfirma aus dem Großraum Frankfurt. Sie kam zu dem Schluss, dass die aktuelle Energiekrise für eine Stagnation im Innovationsportfolio der EVUs gesorgt hat. Gerade einmal ein/e neue/s Dienstleistung/Produkt ist im Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr hinzugekommen (von 32 auf 33). Diese gletscherartige Geschwindigkeit im Ausbau des Portfolios abseits der klassischen Energiedienstleistungen muss dringlichst angegangen werden, da die Konkurrenz nicht schläft und der Einstieg disruptiver Branchenfremder die hiesigen Energieversorger eiskalt erwischen könnte.
Ohne Vorwarnung
Es ist nicht so, dass bspw. Google von heute auf morgen Kraftwerke bauen wird und auf Verivox als neuer Anbieter gelistet wird, aber ausschließen darf man das nie. Dass Mega-Konzerne in Ihrer stetigen Suche nach neuen Wachstumsfeldern und Einnahmequellen nicht auch eine der essentiellsten Sektoren mit in Ihren Wertschöpfungsmix aufnehmen ist gar nicht so unwahrscheinlich, wie man denkt. Oder wer hätte damit gerechnet, dass Google Mitgründer Sergey Brin bereits seit 10 Jahren Millionen Dollar in Firmen investiert, die es sich zum Ziel gesetzt haben, im Labor hergestelltes Fleisch massentauglich zu machen. Kaufen wir in ein paar Jahren dann nur noch Fleisch von Google oder Amazon? Wer weiß, aber dass diese Option keine völlige Träumerei ist, sondern eine glaubhafte Realität, die nicht so wirkt, als läge sie 20 Jahre in der Zukunft, sollte auch Rückschlüsse auf andere Branchen geben.
Wer nicht wagt, der nicht gewinnt
Zurück zur Energiewirtschaft und den EVUs. Um Innovation schaffen zu können, braucht es einen weiten Horizont i.e es gilt über den Tellerrand der brancheneigenen Konkurrenz hinauszuschauen. Das bedeutet unter anderem auch, dass geschaut werden sollte, was für Innovationen andere Dienstleister anbieten und nicht nur das, was das andere EVUs gerade in ihrem Portfolio haben. Natürlich bewegt man sich immer im Rahmen der eigenen Branche, aber dennoch muss geschaut werden, welche Produkte und Innovationen auch hinzupassen, die man vorher nicht in Betracht gezogen hätte.
Ein Beispiel dafür wäre der E-Mobiltätshype rund um die E-Roller. Das gesamte Thema der E-Mobiltät ist ein dankbares Feld für die Entwicklung innovativer Produkt- und Dienstleistungsideen für EVUs, aber die motorisierten Scooter hätten hierzulande auch ein Vorzeigeprojekt einiger Stadtwerke sein können und nicht das der internationalen Verleiher Lime, Tier, Voi und co. Ein Blick über den großen Teich hätte gezeigt, dass bereits Anfang 2018 die Metropolen der amerikanischen Westküste voller E-Scooter waren und es nur eine Frage der Zeit war, bis diese auch durch deutsche Städte rollen würden.
Man stelle sich vor, ein Stadtwerk mittlerer bis großer Größe hätte als Innovator in seinem Versorgungsgebiet eigene Roller eingeführt und eventuell auch noch den Bestandskunden eine günstigere Nutzung oder andere Vorteile mitgeliefert. Der mediale Effekt und die thematische Anbindung an das Kerngeschäft rund um Strom sowie das lokale Branding wären der perfekte Marketing-Coup gewesen. Doch dazu ist es nicht gekommen und seitdem bestimmen die Roller der zuvor genannten Anbieter zusammen mit privaten E-Rollern das Stadtbild.
Der Kunde ist nicht nur König, sondern auch Muse
Um diese Szenarien in Zukunft zu vermeiden, ist es absolut essentiell neben einem weitreichenden Blick für Innovationen und Entwicklungen besonders eines in Vordergrund zu stellen: Die Orientierung am Kunden! Wenn ein Produkt oder eine Dienstleistung nicht von Anfang an auf den Kunden zugeschnitten ist und die Zielgruppe nicht wirklich erkannt und verstanden wird, dann wird die Aussicht auf einen herausragenden Erfolg um einiges geschmälert.
Weg mit den Scheuklappen und volle Kraft voraus!
EVUs und besonders Stadtwerke befinden sich noch in einem behäbigen Zustand, der zu Teilen noch aus Zeiten der Versorgungsmonopole stammt. Diese Zeiten sind aber bereits lange vorbei und auch wenn die Branche an sich eher ein behäbiges Tempo vorgibt, sollte sie sich ihrer Wichtigkeit bewusst sein, die sie, wie sich über das letzte Jahr eklatant gezeigt hat, besitzt. Daher sollte die Scheu davor, Innovationen auszuprobieren, abgelegt und auch in Zeiten der Krise nie die Entwicklung und Förderung neuer Ideen ruhen gelassen werden.
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