top of page

Smarter ÖPNV. Warum technische Innovation nicht nur für den Individualverkehr da sein sollte.


Bereits im Sommer haben wir uns mit der Thematik ÖPNV und seiner Verbindung zu bzw. Chancen für Stadtwerk auseinandergesetzt. Mobilität und Nachhaltigkeit werden uns mit den Jahren immer stärker beschäftigen, weshalb eine intensive Befassung mit den beiden eng verwobenen Themenfeldern notwendig ist. Wir wollen das Thema noch einmal aufgreifen, dieses mal allerdings aus einer technischen Perspektive.


Der Vorreiter

Letzten Monat gab das VW-Tochterunternehmen Moia bekannt, dass es zukünftig nicht nur selbst die Sammeltaxen betreiben möchte, sondern ein Lizenzmodell für Kommunen und Nahverkehrsbetriebe einführen will. Somit kann das Angebot schnell in das bestehende Angebotsportfolio übertragen werden. Für alle, die Moia nicht kennen: Es handelt sich dabei um einen Ridesharing-Dienst, der es ermöglicht, einen Minibus über die Moia App zu buchen. Daraufhin wird eine Strecke erstellt, die auch andere Kunden des Dienstes einbezieht, die an verschiedenen Punkten ein- oder aussteigen können. Somit ist der Dienst eine Art Hybrid aus Bus und Taxi. Bis Dato ist der Service nur in Hamburg und Hannover vertreten, was sich mit dem neuen Lizenzmodell ändern könnte.


Zwischenbilanz

Wenn man sich die bisherigen Meldungen zum Thema Ridesharing und Moia anschaut, dann könnte man schnell zurückschrecken. Protestierende Taxifahrer, misstrauische Kommunen und Datenschützer stehen dem Thema Ridesharing kritisch gegenüber. Während die einen um ihre Kundschaft bangen, sehen die anderen darin einen Angriff auf das eigene ÖPNV-Angebot und wiederum andere verkomplizieren die Umsetzung. Es gibt also viel zu klären, bevor die nächsten großen Schritte in Richtung ÖPNV-Modernisierung geschehen können, wobei der alte Spruch "Wo gehobelt wird, da fallen auch Späne" hier Bestand hat.

Schritte wagen


An dieser Stelle soll klar gesagt werden, dass alle Bedenken in ihrem Kern ihre Berechtigung haben. Niemand sollte seine Lebensgrundlage verlieren, weil ein neuer Service in kurzer Zeit den Job obsolet macht. Genauso sollte das ÖPNV-Angebot einer Stadt nicht durch ein Privatunternehmen ausgehöhlt werden und noch weniger sollte so ein Unternehmen als Datenkrake um sich greifen. Dennoch gilt es hier, mit Realismus an die Thematik heranzutreten.

Taxifahren ist ein Luxus. Wer etwas anderes behauptet, hat einfach das Geld es sich zu leisten und macht sich in der Regel weniger Gedanken über die Mobilität anderer. Dass in einer Zeit der steigenden Kosten und der wachsenden Arm-Reich-Schere immer weniger Menschen diesen Luxus in Anspruch nehmen können, ist daher unvermeidbar. Somit schwinden den Taxiunternehmen und -Fahrern die Kunden. Während die Vereitlung des bundesweiten Starts von Uber vor Jahren ein Riegel zum Schutz der Taxibranche vorgeschoben wurde, hat dieser auch nur das Ablaufdatum um ein paar Jahre verschoben. Dabei wäre für die Fahrer ein Sprung vom Taxi in ein Ridesharing-Auto nur eine minimale Umgewöhnung, während die Taxiunternehmen sich mit etwas größeren Herausforderungen anpassen müssten.

Ein Ignorieren aufseiten der Kommunen ist auch nur eine Verschließung der Augen vor der Realität. Während so gut wie jeder Aspekt des Lebens durch die Digitalisierung getroffen, transformiert oder zerstört wird, muss auch der ÖPNV reagieren. Wer nicht gerade in Hamburg oder Berlin lebt, ist den Luxus regelmäßiger Transportmöglichkeiten nicht gewohnt. So fahren in unserer Heimatstadt Kiel (Landeshauptstadt SH!) die Busse am Wochenende gerne nur alle halbe Stunde und von Strecken aufs Land oder von Zeiten zu später Stunde möchten wir an dieser Stelle gar nicht erst anfangen. Wer bei solchen Aussichten den Wunsch nach einem eigenen Auto aufgeben soll bzw. kann, ist nicht ersichtlich.


Technische Innovation für die Massen


Autonomes Fahren, E-Revoltion und Autos, die immer mehr zu Smartphones auf Rädern werden. Diese Trends und Innovationen haben eines gemeinsam: Sie konzentrieren sich auf das Individuum. Die größtmögliche Abkapselung aus der Öffentlichkeit auf dem Weg von A nach B soll ermöglicht werden. Wie wir eben schon umrissen haben, ist das ÖPNV-Angebot vielerorts nicht allzu ansprechend, wodurch viele das lokale Angebot kategorisch ausschließen und dem Traum des Super-SUV nacheifern. Dabei sollten diese Mobilitäts-Innovationen doch genauso im öffentlichen Bereich erkannt und genutzt werden. Wenn das Argument des schlecht angebundenen ländlichen Raumes angeführt wird, sobald das Problem um Individualverkehr angesprochen wird, dann sollten Ridesharing und Predictive-Planing als erste mögliche Lösungen genannt werden. Während alle Probleme der Welt scheinbar durch die "Innovativen" Lösungen von Musk, Bezos, Zuckerberg und Co. zu lösen sind, ist dieses Denken in der Welt der öffentlichen Räume und Leistungen leider noch ziemlich fremd. Wir möchten nicht zu sehr abschweifen, aber die alleinige Vorstellung, dass die Forschung fürs autonome Fahren nicht im Feld der unendlichen Variablen, dem Autoverkehr versenkt wird, ist äußerst spannend. So wäre diese Forschung im Bereich des, viel besser vorhersehbaren Bahnverkehrs, um einiges schneller und effektiver. So haben wir einen starken Mangel an Lokführern, aber nicht an Autos oder Parkplätzen für diese.


Alle einsteigen!


Zum Schluss lässt sich zusammenfassen, dass wir in einer Zeit des erhöhten Handlungsbedarfes leben, in der wir aber auch die Möglichkeiten dieser Zeit nutzen müssen. Kommunen und Stadtwerke, die den ÖPNV in ihrem Versorgungsgebiet stellen, sollten sich alle Optionen anschauen, die zurzeit das Licht der Welt erblicken. Natürlich soll nicht jede Maßnahme blindlings und ohne vorherige Prüfuing umgesetzt werden, aber Lizenzmodelle wie die von Moia oder auch komplett andere Ansätze, den ÖPNV digital, komfortabel und am wichtigsten nachfragebasiert zu gestalten, sollten ein klares Ziel sein. Das Leben, egal ob auf dem Land oder in Stadt, steht und fällt mit der Mobilität. Es wird daher Zeit, diese für alle neu zu denken!


Comments


bottom of page